Die spinnen, die Gallier – Kronenbourg 1664 Bière Premium

Kronenbourg 1664 Titel

Wie sehr habe ich mich darüber gefreut, dass ich als grenznah Wohnender so leichten und preislich attraktiven Zugriff auf rhum agricole, Cognac, Armagnac und andere französische Spitzenspirituosen habe. Für Schnaps haben die Franzosen ein Händchen, ohne Zweifel. Über Wein brauchen wir auch nicht zu reden (weil ich mich damit überhaupt nicht auskenne, hauptsächlich), doch mir fiel neulich bei einer gedanklichen Retrospektive meiner Bierrezensionen auf, dass ich dieses schöne Land diesbezüglich noch nicht im Besprechungsportfolio habe. Woran liegt das? Ich kenne gute deutsche, belgische, italienische, amerikanische und britische Biere. Warum hält sich ausgerechnet die Genießernation Frankreich so beim Bier zurück? Mögen sie es einfach nicht?

Tintin et les Picaros © Casterman
Tintin et les Picaros © Casterman

Im französischen Supermarkt bietet sich dann ein entsprechendes Bild: Dutzende von deutschen, belgischen und internationalen Biersorten kann man zwar kaufen, doch wenn man sich auf die Suche nach einem landeseigenen Gerstensaft macht, läuft man gegen eine rot-blaue Wand – die Brasseries Kronenbourg aus dem Elsass, mit ihren zwei Hauptprodukten Blonde und 1664, dominiert das Bild zumindest hier im Département Moselle völlig. Neben diesen Industrie-Massenprodukten sind im Supermarkt erhältliche französische Biere kleinerer Hersteller dann oft wenig alltagstaugliche Spezialbiere, mit 15% Alkohol und anderen Sperenzchen, aromatisiert bis zum Umfallen, oder Spaßbiere wie Desperados, die man nur noch mit Mühe als Bier bezeichnen will. Es scheint, als hätten die Franzosen einfach kein Verhältnis zum Bier.

Nun muss ich halt in den sauren Apfel beißen, beziehungsweise das direkt Verfügbare verkosten. Ich habe mich nach kurzem Inmichgehen für das Kronenbourg 1664 (gesprochen „seize soixante-quatre“, also sechzehnvierundsechzig) entschieden; seit 350 Jahren Brautradition, na, da muss doch was rüberkommen.

Kronenbourg 1664 Flasche

Wie so viele Lager gibt sich das Kronenbourg 1664 auch keine Blöße, was den optischen Eindruck angeht – so stellt man sich ein Bier vor. Strahlender Bernstein, kräftige Perlage, schöner, feiner Schaum. Geruchlich ist da Hefe, ein Touch Hopfen, und ein Hauch Orange. Das wars aber auch schon.

Das erste, was mir nach dem ersten Schluck auffällt, ist ein ziemlich unangenehmer Fehlton, der kaum wieder aus dem Kopf zu bekommen ist – chlorig, gemüsig und fast schon ziegenkäsig. Wurde hier chloriertes Wasser zum Brauen benutzt, oder ist das ein Rückstand von DMS (Dimethylsulfid)? Ansonsten habe ich bei Industrie-Lagerbieren inzwischen aufgegeben, groß nach Aromen zu suchen – auch das 1664 hat einen sehr reduzierten Geschmack, es ist eher auf der süßlichen Seite verortet und vergleichsweise dumpf zu trinken. Nur gut gekühlt erhält man einen Frischefaktor, der Hersteller empfiehlt 4-6 Stunden Kühlung, um 6-8° zu erzielen.

Kronenbourg 1664 Glas

Der Abgang ist mild, süßlich, mit nur minimalster Bittere, und sehr sehr kurz, eigentlich praktisch nichtexistent. 5,5% Alkohol sind gut in der Süffigkeit verborgen. Schade, dass Lager als Bierstil inzwischen zu so dünner Brühe verkommen ist, ein Effekt, den man bei sehr vielen massenproduzierten Lagern beobachten kann.

Ich habe, ehrlich gesagt, so meine Schwierigkeiten, dieses Bier als Cocktailzutat zu empfehlen. Diese Chlornote könnte sich auch in Mixturen negativ bemerkbar machen, so meine Befürchtung. Ich riskiere es natürlich, mutig wie ich bin, trotzdem. Im Coupe de Ville hat das 1664 genug starke Kontrahenten, die die schlimmsten Fehler im Bier ausbügeln können sollten – und der Mut zahlt sich tatsächlich aus. Ausgesprochen lecker.

Coupe de Ville Cocktail


Coupe de Ville
¾ oz Tequila Añejo (z.B. Herradura Añejo)
¾ oz Limettensaft
¾ oz Orangensaft
½ oz Orangenlikör (z.B. Le Favori)
Alle Zutaten auf Eis shaken. Dann…
2 oz leichtes Bier (z.B. Kronenbourg 1664)
…dazugeben und leicht umrühren.
[Rezept nach Lisa Lavery]


Erworben habe ich das Bier im französischen Record, für unter 4€ für 6 kleine 250ml-Fläschchen im typisch französischen vollummantelten Sechsertragerl. Auch wenn ich es nicht wirklich empfehlen will: wenn man dran vorbeiläuft auf dem Weg zu einer Grillparty oder einem Public Viewing, kann man es mal mitnehmen.

Kronenbourg 1664 Tragerl

Als Fazit muss man festhalten, dass es kein Wunder ist, dass die Franzosen so wenig Bier trinken, wenn ein Bier wie das Kronenbourg 1664 ihr liebstes Bier ist (oder ist es umgekehrt?) – die spinnen, die Gallier. Erneut dankt man Gott, dass in Deutschland die Bierindustrie sich nicht dazu herablässt, solche Suppe zu produzieren.

Doch eins gilt es zu bedenken: Die USA waren einst in derselben Situation. Lasches Massenbier war gang und gäbe, bis sich ein paar Leute das nicht mehr gefallen ließen und die Craftbier-Welle lostraten, die nun die ganze Welt erfasst hat, und hervorragendes, charakterstarkes und interessantes Bier hervorbringt. Gerade für ein Genießerland wie Frankreich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Welle auch an die Küsten der Grande Nation schwappt, und bei dem Perfektionismus, den die Franken bei allem, was den Genuss angeht, an den Tag legen können, muss man dann irgendwann garantiert sagen: Gnade Euch Gott, Bierkonkurrenz, wenn die Gallier mal aus ihrem Dornröschenbierschlaf aufwachen sollten. Laut dem Magazin Frankreich erleben #60 gibt es doch viele kleine lokale Brauereien, deren Biere ich nun mal anfordern werde, um bei diesem Aufbruch mitzuhelfen und den Geschmack des Kronenbourg aus dem Mund zu bekommen.

Veröffentlicht von schlimmerdurst

Hüte dich vor denen, die nur Wasser trinken und sich am nächsten Tag daran erinnern, was die anderen am Abend zuvor gesagt haben.

7 Kommentare zu „Die spinnen, die Gallier – Kronenbourg 1664 Bière Premium

  1. Ja, merkwürdig das. So eine Biervernachlässigung fiel mir auch bei den Schweizern auf, trotz teilweiser deutschsprachigkeit und trotz hervorragedem Bergwasser. Scheint an zu gutem Wein&Schnaps zu liegen. Wobei die Öschis ja trotz traumhaften Starkalkoholika auch vernünftiges Bier hinkriegen. Weil die sich vielleicht noch dem Reich zugehörig fühlen..? Ich hör besser auf, sonst kommen noch Wahrheiten zutage, die keiner wissen will. Prost mit frauenfreundlichem Tsingtao heut…

      1. Nix überwältigendes, aber trinkbar. Wahrscheinlich haben die Chinesen – im Gegensatz zu den Wackesköppen – aufgepasst, als der deutsche Braumeister erklärte, wie man das machen soll.

  2. Kann den Eindruck nur teilen. Was größere Brauereien angeht, kommt Biertechnisch nur oller Kram bei rum. Man muss schon was suchen, um etwas besseres zu finden. Und durch die zahlreichen Negativerlebnisse greift man bei den zahlreichen Alternativen lieber zum

  3. Also ich habe das 1664 letztes Jahr in Ungarn getrunken… und fand es richtig lecker.
    Mir gefiehl diese fruchtige Note sehr gut.

    Persönlich mag ich herbe Biere garnicht, hat m.M. nach nichts mit Geschmack zu tun …. mache empfinde ich nur als bitter.
    Auch unsere regionales Bier Hütt schmeckt mir nicht

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